Montag, 12. August 2013

Die Sprache


Chinesisch - oder: die simpelste Sprache der Welt


... wobei simpel hier nicht bedeuten soll, dass es einfach zu lernen ist. Ich fange mal mit einer kleinen Grundlektion an:
Wie die meisten sicherlich wissen, ist die Betonung im Chinesischen sehr wichtig. Im Mandarin, also dem "gängigen" Chinesisch, gibt es vier unterschiedliche Betonungen. Eine nach oben, also wie wenn man eine Frage stellt, eine "neutrale", die sich anhört, als ob man singt, eine nach unten, die sich anhört wie der deutsche Imperativ, und eine doppelte, die man sich als den Buchstaben zweimal schnell hintereinander gesprochen vorstellen kann.

Ein Beispiel: die Silbe "ma"

má: fragend, also wie "ma?"          -> bedeutet mama
mā: singend, also wie "maaaaaa"   -> bedeutet tuch oder sowas
mà: befehlend, also wie "ma!"       -> bedeutet schimpfen
mă: ein wenig wie "ma ah"            -> bedeutet pferd

Man sieht also, schon feinste Unterschiede können gröbste Missverständnisse hervorrufen. Hinzu kommt, dass man die Unterschiede kaum hört - es also auch nicht nachmachen kann. Besonders wenn der Gesprächspartner schnell redet - wie es hier üblich ist - kommt man kaum mit. Außerdem hören sich die Töne dann auch wieder unterschiedlich an. Und es gibt Sonderregeln, wenn z.B. in einer bestimmten Situartion zwei bestimmte Töne aufeinander folgen, macht man einen anderen draus (oder so ähnlich). Abgesehen davon ist man es als Europäer einfach nicht gewohnt, die Betonung silbenweise zu ändern. Meist ändern wir den Sprachtonus nur, wenn es um Fragen, Befehle oder Sarkasmus geht. Hier ist das ein auf und ab wie auf der Achterbahn.
Manchmal glaube ich in Ansätzen verstehen zu können, wie sich gehörlose Menschen beim Sprechen lernen fühlen...

Und wie lernt man das als nicht-Asiate? Zur Vereinfachung gibt das das sogenannte Pin Yin, eine Übergangssprache oder Zwischensprache, mit der einzelne Zeichen in unser Buchstabensystem übersetzt werden. Das Problem ist, dass es für Unterschiedliche Zeichen zum Teil die gleichen pin yin Ausdrücke gibt - das ist also nicht so ganz akkurat. Ohne das Pin Yin wäre es allerdings ziemlich schwer. Um 90% der Tageszeitung lesen zu können, sollte man circa. 3000 Zeichen beherrschen. Diese reichen dann auch grob aus, um den täglichen Bedarf zu decken. Der Hauptwortschatz beläuft sich meines Wissens nach auf circa 6000 Zeichen. Füher gab es mehr, ich habe mal irgendwo von 48000 Zeichen gelesen.

Abgesehen davon, dass die Zeichen zum Teil einfach extrem kompliziert sind und in bestimmten Kombinationen wieder was anderes bedeuten, kommt noch hinzu, dass man die Aussprache nur schwer beziehungsweise gar nicht an den Zeichen ablesen kann (auf diese Frage habe ich noch kein eindeutige Antwort bekommen). Man lernt also quasi zwei Sprachen. Das mit den Zeichen lasse ich aber weg, ich konzentriere mich aufs Gesprochene. Manchmal hilft es sehr viel, sich die Sachen in pin yin aufzuschreiben, um sich die Aussprache zu merken. Allerdings hilft das bei mir meist nicht soo viel, da die pin yin Aussprachen relativ umfangreich sind, also muss ich mir meist noch eine Phonetik-Version daneben schreiben, so ein Mischmasch aus Deutsch und Französisch - erfunden von mir selber. 
Aber selbst dann kann man die Aussprache einfach nicht richtig festhalten, da die Chinesen einfach wahre Zungenkünstler sind. Nicht nur beim Schlürfen der Nudeln oder Lösen des Fleisches von den Knochen, auch beim Sprechen wird die Zunge zum feinmechanischen Werkzeug. Es gibt so viele unterschiedliche Möglichkeiten, tien auszuprechen, dass mir das manchmal einfach zu kompliziert wird. Auch mit "ü" und "ts zß ßs ßz" und so weiter kommt man schon ganz schön durcheinander.

Das einfache an der Sprache ist allerdings, dass es kaum Grammatik gibt. Verben werden nicht konjugiert, und Zeiten gibt's in unserem Sinne nicht. Wenn man Chinesisch direkt übersetzt, dann hört man, dass die Sprache in bestimmten Bereichen relativ einfach strukturiert ist. Zum Beispiel:

Wie geht es dir? -> ni hao ma? (Du gut "Fragezeichen" (ma indiziert eine Frage im gesprochenen Chinesisch)

Mir geht es gut. -> wo hao (ich gut)

Heute ist schönes Wetter. -> xingtien tienchi hen hao (heute Wetter sehr gut)

Gestern war schönes Wetter. -> mingtien tienchi hen hao (gestern Wetter sehr gut; bin mir gerade aber nicht mehr sicher ob mingtien gestern oder morgen war)

Wie teuer ist das? -> tse ge duoschao tien? (Das wieviel Geld)

Man bedenke dass auf jeden Vokal das Zeichen zur jeweilgen Betonung kommt - und dann auch richtig ausgesprochen werden muss. Aber ansonsten gar nicht mal so schwer, oder?

Neben der einfachen Grammatik gibt es aber auch komplizierte und - auf den ersten Blick - unlogische Dinge (auch auf den zweiten, aber wir Deutschen sollten uns über unlogische und unnötig komplizierte Sprachstrukturen nicht beschweren). Als Beispiel mönchte ich die sogenannten Classifier nehmen. Diese werden benutzt, sobald man eine Menge von etwas angibt, und eine Zahl davor setzt:

ich hätte gerne drei "classifier" eier -> wo yao san gue ji dan (ich wollen drei "classifier" Eier)

"gue" ist hier der Classifier. Ich habe gehört, dass es ca. 800 (?) davon geben soll, unter anderem zum Beispiel einen für flache Dinge. Ein Tisch und ein Blatt Papier haben demnach den gleichen Classifier (zhang oder so). Klingt logisch, oder?
Sobald man keinen Classifier benutzt, versteht auch keiner was man eigentlich will. Menschen und Lieder haben zum Beispiel auch denselben Classifier (warum auch immer). Das schöne ist aber, dass es einen Classifier gibt, der alles abdeckt! Und zwar "gue". Deshalb hab ich auch überhaupt keine Ahnung, wie die Classifier heißen. Die ganze Zeit "gue" zu benutzen ist zwar ungefähr so wie im Deutschen immer den Artikel "der" zu Benutzen, und man muss zugeben, der Sonne oder der Auto hört sich schon ziemlich beknackt an. Aber gut, bevor ich dutzende dieser (nutzlosen?) Classifier lerne, hör ich mich lieber doof an. Hat bis jetzt immer geklappt.

Mittlwerweile habe ich auch das Standartvokabular zum Essen bestellen drauf. Und Zahlen gehen auch ganz gut. Kann man die Zahlen von eins bis zehn, und weiß man was hundert und tausend heisst, so gehts fast überall weiter. Man reiht die Zahlen einfach hintereinander. Hier ein kleiner Exkurs (Zahlen eins bis zehn, und der Ausruck für hundert und tausend; ungefähre Aussprache in Klammern):

Yi      ( I )
Er      ( Arr )
San    ( Sann )
Se      ( Sßö )
Wuo  ( Uo )
Liu     ( Liu )
Qi      ( Tschi )
Ba      ( Ba! )
Jiu      ( Dschiou )
Shi     ( Schö! )

Bai     (Bai)
Qian   (Dschienn)

1234 wäre also:
yi qian er bai san shi se - nicht wirklich viel schwerer als Eintausendzweihundertvierunddreißig...

(kleine Bemerkung für unlogische Eigenheiten der Deutschen Sprache am Rande: bis einhundert werden die Zahlen "falschrum" genannt - was meiner Meinung nach der Grund ist, warum viele Leute die letzten beiden Ziffern einer Zahl noch heute falsch herum schreiben - sogar ich hab das in der Grundschule so gemacht. Sinn machts nicht wirklich...)

Aber Sinnloses gibts überall. Zum Beispiel nimmt man anstatt "Er" für die Zwei "Liang", falls man die Anzahl von etwas angibt, weil - keine Ahnung. Zwei als Zahl ist was anderes als zwei als Anzahl von etwas. Und für zweihundert sagt man auch liang bai anstatt er bai. Aber als Deutscher... wie gesagt, man sollte sich mit Beschwerden über unlogische Sachen zurückhalten.

Aber sonst: Easy! Oder?

Essen bestellen geht also schon ganz gut (sonst würde ich ja nicht hier sitzen und schreiben). Standart-Vokabular:

Dai tzo! (Take Away)
Wo bu yao la (Ich nicht will scharf)

Und dann immer freundlich nicken und Kombinationen aus Shi, Due und Hao verwenden (bedeutet alles mehr oder weniger sowas wie gut, okay, ja, verstanden, und wird hier SEHR gerne benutzt, besonders hao und due). Also zum Beispiel: hao, due due due, hao hao, shi! Auf Deutsch: Ja, passt!

Falls man was nicht versteht, dann heissts:

Wo bu dong (Ich nicht verstehen) oder

Wo bu dschidao (Ich nicht wissen)

Aber eigentich kommt man mit "ze gue" (sprich: tsöggö) (das da) und drauf zeigen immer weiter. Habe heute sogar erfolgreich meinen Roller reparieren lassen (Hinterrad war platt, musste ersetzt werden, und Rücklicht hatte einen Wackelkontakt, und ein Spiegel musste justiert werden). Gut, musste ich ein bisschen viel tsöggen und draufzeigen, aber am Ende beliefen sich die Materialkosten für den neuen Reifen auf 30€, der Rest war umsonst (sogar ein neues Rücklicht!). Und das ganze war auch noch in weniger als 10 Minuten erledigt, ohne vorher warten zu müssen! Das nenn ich Service! Und für alle, die bis hierhin brav gelesen haben, ein Foto von der Rollerwerkstatt!


ZipZap da ist das neue Rad! Serviceparadies Taiwan


Für etwas komplexere Sachen stehen dann auch mal gerne die taiwanesischen Kollegen zur Verfügung. Wir haben auch zwei taiwanesische Studenten als Mitpraktikanten, die sogar manchmal Abends mitkommen falls was mit der SIM-Karte vom Handy nicht klappt oder man irgendwas anderes kompliziertes regeln muss. Ich versuche aber, mein Chinesisch täglich zu verbessern, damit ich nicht auf Dolmetscher angewiesen bin. Der Erfolg des selber Verständigens hängt aber auch vom Gegenüber ab. Abgesehen davon, dass die Aussprache scheisse schwer ist, sind die meisten Taiwaner einfach nicht darauf vorbereitet, dass man als nicht-Asiate jetzt Mandarin spricht, verstehen den ersten Satz also genrell schonmal gar nicht und müssen sich dann erstmal vom Schock erhohlen. Dann werden die meisten unsicher, und da meine Aussprache falsch ist, müssen sich diverse Essensverkäufer oder Rollerreparateure die Wörter aus dem Kontext herleiten, was aber manchmal (oft) nicht gelingt. Des öfteren ist dann der am besten Englisch sprechende Restaurantmitareiter der Leidtragende, der irgendwo aus der letzten Ecke an den Tresen gezogen wird.
Nach dem ich letztes im Restaurant ungefähr fünfmal "wo bu yao cha" (Ich nicht wollen tee) gesagt habe, in alle möglichen Betonungen, musste ich dann doch aufs Englische ausweichen. "I don't want tea" war dann aber auch verständlich. Ein Glück!

Englisch ist sowieso ein Thema. Manche sprechen es perfekt, kleine Kinder können meist mehr basics als Ältere, mit der Aussprache hapert es ein wenig - aber das wichtigste geht meist wirklich auf Englisch und mit ein paar eingestreuten chinesischen Vokabeln.

Auch in Sachen zwischenmenschlicher Kommunikation lasse ich mich natürlich nicht lumpen! Brav gerlent, was es heisst, "schön dich kennenzulernen" zu sagen, und stolz wie Oskar direkt auf der Arbeit angewendet:

hen gaoxing renshi ni (sehr schön/erfreut kennenlernen dich)

Guckt der Kollege mich verständnislos an und sagt: "I'm Korean!"

Ups, okay, aber einen Versuch wars wert. Kann mittlerweile fast den Unterschied zwischen Koreanern, Japanern, Chinesen und Thailändern erkennen. Aber Taiwaner von Chinese zu unterscheiden, da haperts noch ein wenig. (zur Info: Koreanisch und Chinesisch haben bis auf die Tatsache, dass beide mit Zeichen anstatt Buchstaben arbeiten, nichts miteinander zu tun)

Da ich selber noch nicht so sprachsicher bin, sind alle Angaben, wie immer, ohne Gewähr! ;)

Hier noch eine Gottesanbeterin als Bonus! Tadaa!

Gottesanbeterin live, lebending und draußen!

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